Strömungen, Hans-Jürgen Conrad
Strömungen

Wenn ich nicht mehr arbeiten kann,
will ich nicht mehr leben.

Ein 49-jähriger Mann, selbständig, nicht verheiratet, keine Kinder. Seine Erfüllung, sein Lebensinhalt, war sein Beruf. Dort konnte er kreativ sein und seine Gaben leben.

Wir lernten ihn kennen, als es ihm noch relativ gut ging. Seine Erkrankung war noch nicht weit fortgeschritten. Da sagte er diesen Satz. Wir machten im Laufe der folgenden Monate die Erfahrung, dass sich Sichtweisen verändern können und dürfen. Als der Patient nicht mehr arbeiten konnte, entdeckte er andere Dinge, die sein Leben bereicherten und sogar, als er fast völlig pflegebedürftig war, sagte er einmal: »Manchmal ist das Leben trotzdem noch schön«.

Eine wichtige Erkenntnis für uns, auch im ­Hinblick auf die Debatte um den assistierten Suizid, die bis heute noch viele Fragen offenlässt. Sowie bezüglich der aktiven Sterbehilfe, die von der Hospizbewegung abgelehnt wird. Ein gesunder oder noch relativ stabiler Mensch hat meist eine ganz andere Einstellung als die Menschen, die wir im Sterben begleiten. Das mag uns zu denken geben.

In diesem immerwährenden Kalender erleben Sie Texte von Menschen auf ihrem letzten Lebensweg. Holzkünstler Hans-Jürgen Conrad hat dazu Fotografien seiner Kunstobjekte ausgewählt.